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Ein weiterer Bericht von Thussard.

Bitte an Alle, wenn Ihr mir Berichte gebt, wäre ich Euch dankbar, wenn die Quellangabe gleich mitgeliefert würde, weil es sonst so aussieht, als ob der jeweilige Nickname für den redaktionellen Inhalt verantwortlich ist.



DAS ERBE DER TEMPLER

Offiziell wurde der Templerorden im Jahre 1312 aufgelöst. Ist aus den alten Wurzeln tatsächlich ein verschwörerischer Geheimbund mit internationaler Macht entstanden? Existiert er vielleicht noch heute? Einiges spricht dafür.

Mit einer faszinierenden Idee beschäftigen sich unzählige Bücher, die in den letzten Jahren erschienen sind. Es ist das Erbe der Templer, das besonders in Frankreich ein breites Publikum in seinen Bann zieht. Hier hatte der einst so mächtige Ritterorden bedeutende Niederlassungen gehabt, bevor er zu Anfang des 14. Jahrhunderts vom Papst wegen angeblich ketzerischer Geheimlehren und unsittlicher Bräuche aufgelöst wurde. Hat eine Neubelebung dieser "esoterischen Tradition" in einer geheimen Gesellschaft mit dem Namen Prieuré de Sion| stattgefunden? Waren diese Nachfolger der Templer tatsächlich über die Jahrhunderte hinweg in die europäische Politik verwickelt? Steckten sie vielleicht sogar hinter der Französischen Revolution? Zahlreiche Autoren versuchen heute, diese Spekulationen zu beweisen, und Ihre Bücher finden reißenden Absatz, auch wenn es genug Gründe gibt, die Geheimbundtheorie als Produkt der Phantasie zu sehen. Wenn wir uns den historischen Tatsachen zuwenden, so finden wir im 12. und 13. Jahrhundert tatsächlich ein Kloster bei der Marienkirche auf dem Berg Zion, jenem alten Tempelbezirk Jerusalems, wo Christus mit seinen Jüngern das Abendmahl gefeiert haben soll. Der französische Kreuzritter Gottfried von Bouillon hatte nach dem siegreichen ersten Kreuzzug im Jahre 1099 ein christliches Königreich Jerusalem begründet und die Kirche gebaut. Ein Franzose, Hugo von Payens, war es auch gewesen, der etwa 20 Jahre später zum Schutz der Pilger und des Heiligen Landes den Ritterorden der Templer (oder Tempelherren) gründete. Ob jedoch talsächlich eine Verbindung zwischen dem historischen Templerorden und jener Geheimgesellschaft besteht, die sich angeblich bis in die Gegenwart erhalten hat, ist keineswegs nachgewiesen.

Aufsehen erregte der Bestseller des italienischen Semiotikprofessors Umberto Eco. Das Foucaultsche Pendel beschreibt die Forschungsarbeit eines italienischen Intellektuellen, der durch seine historische Neugier immer tiefer in die Machenschaften des immer noch existenten Geheimbundes verstrickt wird. Sicher handelt es sich hierbei um einen Roman, doch die konkreten Beispiele der angeblichen Einflußnahme der Templer auf weithistorische Ereignisse klingen so plausibel, dass man sie nicht bloß für das Phantasieprodukt eines begabten Autors halten möchte. Auch wenn es sich um ein bloßes Konstrukt handelt, so nimmt Eco doch einen Mythos auf, der seit Jahrhunderten nichts von seiner Faszination verloren hat.


Mysteriöse Überlieferungen


Viele moderne Bücher über diesen Geheimbund beziehen sich jedenfalls fast ausschließlich auf die sogenannten "Prieure -Dokumente", mysteriöse, kopierte Schriften, die seit 1965 in der "Bibllotheque Nationale" in Paris aufbewahrt werden und allgemein zugänglich sind. Dazu gehören die Dossiers Secrets (Geheimdossiers), die von einem gewissen Henri Lobineau verfaßt wurden und drei Namenslisten enthalten, die Prioren des Klosters vom Berg Zion, die Großmeister des Templerordens von 1118 bis 1190 und die angeblichen Großmeister des Geheimbundes Prieuré de Sion.

Für ihr Buch The Holy Blood and the Holy Grail (Das heilige Blut und der heilige Gral) haben Henry Lincoln, Michael Baigent und Richard Leigh diese Listen - wie sie sagen - sorgfaltig geprüft und studiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die dritte Liste, die der Großmeister des Geheimbundes, auf eine interne, nur einem auserwählten Kreis zugängliche Informationsquelle hindeute, die den Historikern bislang noch verschlossen sei.

Weltberühmte Namen enthält diese Liste, etwa:

Sandro Filipepi, genannt Botticelli, Großmeister des Ordens von 1483 bis 1510,
und dessen Nachfolger im Amt,Leonardo da Vinci, von 1510 bis 1519.
Der geniale Physiker Isaak Newton, Großmeister von 1691 bis 1727,
ist ebenso zu finden wie der französische Schriftsteller Victor Hugo (1844-1885),
der Komponist Claude Debussy (1885-1918)
und als letzter großer Name wiederum ein Künstler,
Jean Cocteau, Großmeister des Prieuré de Sion von 1918 bis 1963

- vorausgesetzt, wir schenken den Dossiers Secrets Glauben. "Der Prieuré de Sion", schreiben Lincoln, Leigh und Baigent, scheint bescheiden und realistisch zugleich. Er gibt nicht vor, von Genies, übermenschlichen "Meistern", erleuchteten "Eingeweihten", Heilige, Weisen oder Unsterblichen geführt worden zu sein. Vielmehr gesteht er offen ein, das seine Großmeister ganz normale, fehlbare Menschen waren. ein repräsentativer Querschnitt der Menschheit. Unter ihnen finden sich einige Genies, ein paar Honoratioren, auch, Durchschnittsmenschen, dann und wann eine völlig unbedeutende Figur und sogar mancher Narr. Warum sollte eine gefälschte Liste ein solches Spektrum enthalten?

Als Beweis für die tatsächliche Existenz des Prieuré de Sion bis in unsere Zelt kann uns diese Argumentation allerdings nicht genügen. Schon allein deshalb, weil die bedeutungslosen Namen auf der Liste an einer Hand abzuzählen sind. Charles Nodier etwa, Großmeister von 1801 bis 1844, mag heutzutage weitgehend unbekannt sein, zu seiner Zeit aber war er ein namhafter Schriftsteller und Revolutionär. Nicolas Flamel, angeblich Großmeister zwischen 1398 und 1418, war der vielleicht berühmteste Alchimist Frankreichs, und der Engländer Robert Fludd (1595-1637) machte sich durch seine Werke über die Hermetik einen Namen. René d'Anjou (1418-1480) stand in Zusammenhang mit der Jungfrau von Orleans, und J. Valentin Andrea (1637-1654) trug maßgeblich zur Entstehung des Rosenkreuzer-Mythos bei. Viele der übrigen Namen auf der Liste gehören hochkarätigen, wenngleich vielleicht obskuren Vertretern des europäischen Adels. Von einem "repräsentativen Querschnitt der Menschheit", wie Lincoln, Leigh und Baigent diese Sammlung angeblicher Großmeister nennen, kann also keineswegs die Rede sein. Wer aber wurde nach dem Tode Cocteaus 1963 Großmeister des Prieuré de Sion?

Wir hören von einem einfachen Franzosen namens Pierre Plantard, bekannt als Pierre Plantard de Saint-Clair. Über seine Person wissen wir aber nur wenig. Er lebte bis zum Januar 1973 in bescheidenen Verhältnissen im 16 Arrondissement von Paris, und eine der wenigen Begebenheiten, die wir aus seinem Leben kennen, ist, dass er offensichtlich "vergaß", seine Miete zu zahlen, als er aus seiner kargen Wohnung auszog. Sollte dieser Plantard tatsächlich der Großmeister dieses mächtigen Geheimbundes gewesen sein? Als sein Mitarbeiter und Sprecher wird Philippe de Cherisey genannt, Spross einer namhaften Familie aus den Ardennen. der zunächst als Journalist für das belgische Fernsehen tätig war und später für Theater und Film arbeitete. Zu seinen literarischen Arbeiten zählt die phantastische Novelle Circuit. In unserem Zusammenhang interessant ist der Titel der Novelle, der ein Akronym darstellen soll, gebildet aus den Anfangsbuchstaben von Chevalerie d'lnstitutions et Règles Catholiques d'Union Incdépendante et Traditionaliste (Ritterschaft der katholischen Institutionen und Regeln der unabhängigen und traditionalistischen Union).


Was wissen wir wirklich?


Sind wir mit diesen spärlichen Fakten tatsächlich den Erben der Templer auf die Spur gekommen? Einen geheimen Bund, der sich auf die Traditionen des großen mittelalterlichen Ritterordens bezog, mag es wohl gegeben haben, auch wenn schlagkräftige Beweise fehlen. Im übrigen beruft sich -ganz öffentlich und ohne geheimbündische Zielsetzung - eine moderne Neugründung des Ordens ebenfalls auf die Überlieferung. Die deutsche Observanz mit etwa 20 Prioraten in Europa und Übersee ist eine christlich-überkonfessionelle Organisation, die Ihre Aufgabe im Kampf gegen das moderne Heidentum sieht. Sitz des Generalkapitels ist Nürnberg. Sollten wir jedoch die Erben der Templer in einem pragmatischeren Sinn suchen, so werden wir in den Geschichtsbüchern fündig.

Der 1119 in Jerusalem gegründete geistliche Ritterorden, der neben den mönchischen Tugenden Keuschheit, Armut und Gehorsam auch den bewaffneten Kampf gegen die Ungläubigen gelobt hatte, war sehr schnell zu großem Reichtum gekommen und genoss höchste Unabhängigkeit. Nach der Eroberung von Akkon durch die Mamelucken (1291) verlegten die Templer ihren Hauptsitz nach Zypern und kamen bald in den Ruf der Häresie und der Unzucht. Einer Anklage König Philipps IV. von Frankreich - hier lagen die größten Besitzungen des Ordens - entsprach der Papst sehr schnell: Der Ritterorden wurde aufgelöst, Templer, deren man habhaft wurde, wurden verbrannt und das gesamte Vermögen des Ordens konfisziert. Einer der lachenden "Erben" der Templer war die französische Krone.



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