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Klein Jerusalem


......ist ein Ortsteil von Willich-Neersen. Den Namen erhielt er wohl durch eine kleine Kapelle, die dort 1661 von Gerhard Vynhoven gebaut wurde. Eigentlich heißt sie "Beth-Jerusalem" Weil sich dort Stätten aus Bethlehem und Jerusalem drin "verbergen".

Gerhard Vynhoven war auch Ritter vom Heiligen Grab.

In der Stadt Willich gibt es ein schönes Schloss, zwei beachtliche Herrenhäuser, vier hübsche Kirchen. Doch Hand aufs Herz: Bauwerke dieser Art findet man am Niederrhein häufig. Versteckt hinter hohen Hecken und Bäumen befindet sich aber am Rande des Ortsteils Neersen ein Bauwerk, das in dieser Art, wie Stadtarchivar Udo Holzenthal erklärt, in ganz Deutschland kein zweites Mal zu finden ist: die Kapelle Klein-Jerusalem.

In den Jahren 1654-61 ließ der aus Büttgen stammende Gerhard Vynhoven (1596-1674) die Kapelle Klein-Jerusalem nach mehreren Reisen ins Heilige Land in der Nähe seines Geburtshauses erbauen. Als Pfarrer in Osterath und als Feldkaplan Jan van Werths hatte er die Verwüstungen und die Leiden des Dreißigjährigen Krieges durchlitten. Seine Idee bestand in einer möglichst getreuen Nachbildung der heiligen Stätten von Bethlehem und Jerusalem, um so den von Leid und Not erschütterten Menschen nach dem großen Krieg "die ersten und die letzten Tage des Herrn anstellen". Die Betrachtung des Lebens und Leidens Jesu sollte dem betrachtendem Wallfahrer Antwort und Deutung auf die oft bedrängende Frage nach dem Sinn seines persönlichen Schicksals geben. Vor 350 Jahren begann Vynhoven dann damit, aus eigenen Mitteln sein Lebenswerk zu verwirklichen: Mit dem Bau der Kapelle Beth-Jerusalem, wie er sie nannte, sollten die heiligen Stätten an den Niederrhein geholt werden, um den vom langen Krieg erschütterten Menschen "die ersten und die letzen Tage des Herren anschaulich vor die Seele zu stellen". Es entstanden präzise Nachbildungen der Geburtsgrotte im Maßstab 1:1 und des Heiligen Grabes im Maßstab 1:2.

Wer nun glaubt, Vynhoven sei nur ein frömmelnder Weltverbesserer gewesen, der vom wahren Leben keine Ahnung hatte, der irrt gewaltig. "Der Mann hatte eine Vision, die er mit großem Gespür für Marketing, wie man heute sagen würde, umgesetzt hat", berichtet Udo Holzenthal. So warb er mit zwei Flugblättern für die fertiggestellte Kapelle, darunter ein "Wegweiser", der den Pilgern zeigte, wie sie Beth-Jerusalem finden konnten.

Die Werbung hatte Erfolg: Schon bald gab es regelmäßige Wallfahrten, es wurden sogar 121 Fälle von wundersamen Heilungen verbürgt. Den Pilgerstrom unterstützten der Kölner Erzbischof und sogar der Papst im fernen Rom, der 1665 allen Besuchern, die an zwölf namentlich genannten Tagen in der Kapelle beteten, einen vollkommenen Ablass gewährte.

Für Udo Holzenthal ist der Bau der Kapelle daher auch ein "Instrument der katholischen Gegenreformation": Innerlichkeit und Frömmigkeit seien mit üppig bunter Symbolik verbunden worden, um der am Niederrhein nach vorne drängenden Reformation etwas entgegenzusetzen. Ob Vynhoven hier bewusst mitmischte oder nur benutzt wurde Holzenthal lässt die Frage offen. "Verdächtig" sei aber, dass der Pfarrer regelmäßig in höchsten Kreisen verkehrte.

Im 17. und 18. Jahrhundert erfreute sich die Wallfahrt großer Beliebtheit am gesamten Niederrhein. Wie auch immer: Die Kapelle blieb auch nach dem Tod ihres Stifters (1674) Wallfahrtsort, musste aber auch einige Krisen überstehen. So wurde nach dem Aussterben der Neersener Grafen von Virmond das Bauwerk lange dem Verfall überlassen. Erst als es 1772 vom Neersener Minoritenkloster "einverleibt" wurde, begann eine zweite Blüte.

Mit den neuen Pilgern kamen jedoch auch Probleme: " Flagellanten", die sich öffentlich zu geißeln pflegten, zogen abends um die Kapelle, weshalb der Aachener Präfekt 1811 sämtliche Wallfahrten nach Neersen verbieten ließ. Der völlige Abriss von Klein-Jerusalem, wie das kleine Gotteshaus mittlerweile genannt wurde, blieb zum Glück nur eine Drohung.

Betritt der Wallfahrer die Kapelle, so gelangt er zunächst in die Oberkirche, die beherrscht wird von der Kreuzigungsgruppe und der Grabkapelle. Die durch ihre Größe besonders eindrucksvolle Kreuzigungsgruppe ist eine Komposition aus verschiedenen Epochen. Die unter dem Kreuz stehenden Figuren der Maria und des Johannes sowie die beiden vor dem Kreuz stehenden Frauenfiguren z.B. wurden im 16. Jahrhundert in Flandern gefertigt.

Gegenüber der Kreuzigungsgruppe, am anderen Ende des Raumes, befindet sich das Modell des Heiligen Grabes aus dem Jahre 1661. Es ist eine Nachbildung des Grabes Jesu in der Grabkirche von Jerusalem vor dem großen Brand im Jahre 1808. Bemerkenswert ist, daß dieser Raum rundherum bemalt ist. Man gelangt in das Grab durch eine schmiedeeiserne Tür. Die Tür wird durch zwei aufgemalte römische Soldaten flankiert. Im Inneren des Grabes sieht man Jesus Christus (in verkleinerter Version) in Leinentüchern gewickelt liegen.

Wesentliche Bestandteile der Unterkirche, eine Art Krypta sind die Nachbildung der Geburtsgrotte und der Krippennische mit dem Dreikönigsaltar entsprechend der Geburtskirche in Bethlehem und das Grab des Erbauers Gerhard Vynhoven. Die Unterkirche umrahmen drei kleine Kapellen teilweise mit ihrer alten Ausstattung.

Das Gebäude ist außen weiß-gelblich gestrichen und besitzt einen kleinen Glockenreiter, dessen Glocke noch per Hand geläutet wird. Umfasst ist die Kapelle durch drei Hecken. In der Grünanlage der Kapelle befindet sich ein Kreuzweg.

Rund 100 Jahre nach dem Tode des Stifters war es nicht mehr möglich, aus der Stiftung Vynhovens die Kapelle instand zu halten. Das Gebäude war stark beschädigt. Die Minoriten die in Neersen eine kleine Niederlassung besaßen, retteten die Kapelle und die Wallfahrt.

Eine zweite Krise erlebte Klein-Jerusalem in der Franzosenzeit von 1794 bis 1814. Die Franzosen verfügten 1802, daß alle geistlichen Güter, so auch die Kapelle und das Neersener Minoritenkloster in den Besitz des Staates übergingen. Der Neersener Gastwirt konnte sie 1804 im Auftrag des Kirchenvorstandes zurückerwerben. Die Wallfahrt blühte wieder auf. Von dieser Blüte künden Prozessionsschilder aus der Gegend von Geldern am Hl. Grab.

Eine Luftmine im Zweiten Weltkrieg hätte den Abriss im August 1942 fast noch nachgeholt: Die Kapelle und das Geburtshaus Vynhovens wurden schwer beschädigt (sein Geburtshaus existiert heute nicht mehr). Der 1885 gegründete Verschönerungsverein konnte die Schäden aber schon kurz nach Kriegsende beseitigen lassen. Gleichwohl verlor Klein-Jerusalem in den Jahrzehnten danach als Pilgerstätte an Bedeutung. Daran etwas ändern konnte erst wieder ein anderer Verein: die 1981 gegründete Interessengemeinschaft Klein-Jerusalem.

Nicht zuletzt ihrem Einsatz, so lobt Holzenthal, sei es zu verdanken, dass die Zahl der jährlichen Besucher von 500 im Jahr 1985 auf zuletzt 9000 angestiegen ist und im Jubiläumsjahr hofft man darauf, die Grenze von 10 000 Besuchern "knacken" zu können.

In den Jahren 1979-82 wurde die Kapelle dank der Unterstützung des Landes, der Stadt Willich, des Bistums Aachen und vieler Spender einer umfassenden Restaurierung unterzogen. Es gelang, der Oberkirche die Fassung von 1772 wiederzugeben. In der Unterkirche wurde die Gestaltung freigelegt, die der Erbauer der Geburtsgrotte und dem anschließenden Andachtsraum gegeben hatte. Seit dieser Restaurierung erlebt die Kapelle ein ständig wachsendes Interesse der Öffentlichkeit. Tausende Besucher erfreuen sich jährlich an diesem einzigartigem Bauwerk des Niederrheins.

Jeden Freitag um 19:00 Uhr findet ein Gottesdienst statt. An den Festen Christi Himmelfahrt, Mariae Geburt und am Antoniustag wird die Hl. Messe gefeiert. Am Himmelfahrtstag findet stets eine Reihe von Fußpilgern den Weg zur Kapelle Klein-Jerusalem. Auch ist sie seit 1980 Ziel einer Sternwallfahrt der St. Matthiasbruderschaften des Bezirks linker Niederrhein.



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Oberer Bereich



Krypta-Bereich




Quellen:

WZ Artikel Heinz Dohmen
Ralf Arnert,, Mathiasbruderschaft
Kappellenführer
Fotos Babs



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